Die ursprüngliche Idee der Nachhaltigkeit war ja gar nicht schlecht: Carl von Carlowitz, seines Zeichens Oberberghauptmann in Sachsen, schlug vor, dass nur so viel Holz verbraucht werde, damit genügend nachwachsen und nachfolgende Generationen ausreichend davon haben könnten. Das war 1713.
Erst Dornröschenschlaf…
Bekanntlich kam später die Industrialisierung, die Weltbevölkerung wuchs stark und verbrauchte immer mehr – von allem, nicht nur Holz. In den 2000er Jahren warnte der frühere US- Vizepräsident Al Gore in diversen Büchern vor den Gefahren eines Klimawandels. Aber einen amerikanischen Politiker an der Spitze der Klimabewegung konnte man sich schon damals nicht vorstellen. Ganz anders eine 15-jährige Schülerin aus dem Wald- und Seenparadies Schweden! Greta Thunberg verschaffte den Klimawandel Öffentlichkeit, Beachtung und Relevanz. Das war 2018. Damit läutete sie den zweiten Frühling der Nachhaltigkeit ein.
…dann overpaced
Das Thema war plötzlich groß, wichtig, international – also ein gefundenes Fressen für die Brüsseler Bürokratie. Nachhaltigkeit wurde filetiert und in Vorschriften und Regeln gegossen. In Deutschland begann im Dezember 2021 die Ampel mit ihrer Regierungsarbeit und die EU-Bürokratie bekam einen nationalen Ideologie-Boost. Energiewende, Mobilitätswende, Klimawende… Am besten alles auf einmal und sofort! Die Maßnahmen überschlugen sich. Nachhaltigkeitsberichterstattung oder Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sind Wort gewordene Beispiele für die Verrenkungen und Verirrungen dieser Jahre.
2025 hat offenbar irgendjemand in der EU-Kommission erkannt, dass man sich dabei vergaloppiert haben könnte. Außerdem ist der ideologische Treibstoff etwas rationiert seit dem Ende der Ampel. Es scheint zu einer Normalisierung in der Nachhaltigkeit zu kommen. Die EU will auf Freiwilligkeit setzen und die Zahl der Daten und Prozesse reduzieren und klarer machen. Hosianna!
…am Ende klug und achtsam?
Im Moment dürfen wir hoffen, dass all diejenigen, die wir noch eben mit Fristen und Vorschriften getriezt und gepiesackt haben, diesem überdrehten Aktionismus mit Nachsicht begegnen und sich fortan einer freiwilligen, gut dosierten Nachhaltigkeit verschreiben.
Aber seien wir realistisch: Viele Unternehmen werden versucht sein, sich erstmal den Buckel runterrutschen zu lassen. Wenn Spinat-Orgien jahrelang Zwang waren und plötzlich wird Spinatessen freiwillig – esse ich dann weiter Spinat? Eher nicht, auch wenn er noch so gesund ist und stark macht wie Popeye.
Zum Thema Nachhaltigkeit deutet sich eine ähnliche Gegenreaktion an. Klimaziele werden revidiert, Gesetze verzögert, Budgets gekürzt, Maßnahmen ausgedünnt – obwohl es besser wäre, an der grundsätzlichen Linie pro Nachhaltigkeit festzuhalten. Denn Pausieren bedeutet einen Zeitverlust im Rennen gegen den Klimawandel und bei der Neuaufstellung unserer Wirtschaft.
Vielleicht sind die meisten Unternehmen nicht (oder nur ein kleines bisschen) nachtragend? Vielleicht wollen sie auch weiterhin, aber jetzt freiwillig an einer nachhaltigen Ausrichtung ihrer Leistungsbilanz arbeiten?
Freiwillig nachhaltig
Die Herausforderung, dass wir nachhaltiger mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt umgehen, bleibt existenziell. Das Thema geht nicht wieder weg. Wir haben die große Chance, unsere Wirtschaft und unser privates (Konsum-) Verhalten darauf auszurichten. Es geht nicht darum, irgendwelchen politischen Leitlinien zu folgen. Es geht darum, eine zukunftsfähige Gesellschaft aufzubauen, die sich perfekt einfügt in die neuen Lebensbedingungen auf unserem Planeten. „Survival of the fittest“ bedeutet nicht, dass die fittesten überleben, sondern die, die sich am besten anpassen.
Also bleiben wir dran und machen wir unsere Maßnahmen und Berichte freiwillig und mit Augenmaß! Wenn wir in 10 oder 15 Jahren in Europa auf eine weitestgehend nachhaltige Wirtschaft umgeschaltet haben sollten, dann wird das nicht nur unserem Klima sehr gutgetan haben, sondern auch unserer Wettbewerbsfähigkeit, unserem Wohlstand und unserem Wohlbefinden. Auf die Verirrungen der Anfangsjahre werden wir dann milde lächelnd zurückschauen.