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Der deutsche Staatsminister für Kultur und Medien, Wolfram Weimer, hat Ende September 2025 den ersten Minister-Avatar an den Start geschickt. Weimatar ist quasi seine eigene digitale Version, die u.a. fehlerfrei und mehrsprachig seine Botschaften im Netz verbreiten kann. Ob er damit einen spürbaren Beitrag leisten kann, Meinungsfreiheit und Souveränität in Europa zu sichern, bleibt erstmal offen. Aber zumindest greift er endlich in eine neue Kiste mit zeitgemäßen Medien-Instrumenten.

KI definiert Qualitätsanforderungen neu

KI wälzt momentan unsere Welt um. Davon ist die Mediennutzung nicht ausgenommen. Und damit ist auch das Angebot von Medienhäusern betroffen. Und zwar ziemlich radikal und heftig.

In der Vergangenheit haben Medien und Industrie stark investiert in Suchmaschinen-optimierte Inhalte, damit sie bei Suchanfragen des Publikums möglichst weit oben in der Ergebnisliste erschienen. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Nutzer drauf klicken. Und die Klicks konnte man versilbern. Da hier viel Geld zu holen war, stellte sich rasch Gier ein und die Sitten verfielen zusehends.

GEO statt SEO

Boulevardmedien wie BILD machten im Netz dort weiter, wofür sie in der Printversion eh schon bekannt waren. Noch gefährlicher wurden Medien wie Focus-Online, t-online oder Merkur.de, die sich als seriöse Absender positionieren, aber in der Online-Praxis gerne reißerische Schlagzeilen raushauen (häufig mit Superlativen, Zuspitzungen oder Alarmton), um hohe Klickzahlen und schnelle Reichweite zu erzielen.

Diese Formel greift – erfreulicher Weise – immer seltener. Mittlerweile werden immer mehr Suchanfragen durch KI-generierte Antworten bedient, die dann meist oben rangieren in der Ergebnisliste. Gleichzeitig nutzen immer mehr Menschen lieber ChatGPT statt Google bei der Suche nach Antworten auf Ihre Fragen. Unter den Antworten von ChatGPT werden Medien bestenfalls als Quelle ausgewiesen. Um sich dafür qualifizieren zu können, reichen reißerische Schlagworte in den Überschriften nicht mehr aus. Man muss (wieder) strukturierte und gute Inhalte anbieten, die von KI als wertvoll und relevant erkannt und verarbeitet werden. Mit GEO statt SEO wird dieser Wandel beschrieben. Dieser führt dazu, dass die Suchmaschinen-basierte Geschäftsbasis von Online-Medien erodiert: Weniger Traffic, weniger Einnahmen.

Möglicher Seiteneffekt: Marken dürften als Zeichen für Vertrauen und Qualität wieder an Bedeutung gewinnen – und damit Markenwerbung als Einnahmequelle für Medien.

Mediatheken statt TV Zeitschriften

Die öffentlich-rechtlichen Medien investieren seit langem intensiv und – wie ich finde – geschickt in ihre Mediatheken. ProSiebenSat1 versucht Joyn als Streaming-Plattform aufzubauen. Und Bertelsmann/RTL kaufte Sky Deutschland, um einen kleinen Punktsieg zu erringen. Dazu kommen mächtige Player wie Netflix, Amazon, Disney, Apple & Co, die alle einen Teil des Mediabudgets von uns Nutzern abzwacken wollen.

Sie haben alle erkannt, dass Zuschauer heute zu jederzeit entscheiden wollen und können, was sie wo sehen wollen. Das Programmraster wie wir es aus TV Zeitschriften kennen hat ausgedient. Streaming heißt das neue TV. Zumindest für Menschen, die gute Unterhaltung suchen. Der Rest wird bedient mit Trash-TV wie jüngst durch Stefan Raab mit Penis-Kunst.

Medienerziehung muss Bürgerrecht werden

Die Herausforderung wird immer offensichtlicher: Wer heute Medien konsumiert, muss filtern können – oder wird gefiltert. In Zeiten von KI, personalisierten Timelines und algorithmisch verstärktem Unsinn wird diese Fähigkeit überlebenswichtig. Medienkompetenz ist längst nicht mehr nice-to-have, sondern fundamentaler Bestandteil einer demokratischen Grundausstattung. Wer nicht unterscheiden kann, ob ein Inhalt wirklich relevant oder nur maximal klickbar ist, wird zur Beute.

Genau deshalb ist Medienerziehung keine elitäre Bildungsfrage, sondern muss zum Bürgerrecht erklärt und als solches angewandt werden: in Kindergärten, Schulen, in Familien, in Unternehmen… Denn nur so können Meinungsfreiheit und Pluralismus erhalten bleiben. Und nur so können wir vielleicht wieder zurückfinden zur Fähigkeit, miteinander zu diskutieren, zu streiten und gemeinsam zu besseren Ergebnissen zu kommen. Diese Fähigkeit ist heute in weiten Zügen verschüttet.

Staatsminister Weimer hat mit seinem Minister-Avatar vielleicht einen ersten symbolischen Schritt getan. Entscheidend wird sein, ob er und andere es ernst meinen mit der digitalen Aufklärung. Denn eines ist sicher: Die Schlacht um Aufmerksamkeit tobt heftiger als je zuvor. Sie forderte erste Opfer und brachte neue Sieger hervor. Vor allem aber entscheidet sie über unsere Souveränität als Gesellschaft.