Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer will eine Digitalsteuer einführen – gezielt für große Plattformkonzerne wie Google oder Meta. Das ist nachvollziehbar: Diese Unternehmen erzielen enorme Umsätze mit Nutzerinnen und Nutzern in Deutschland, zahlen aber kaum Steuern hierzulande. Gewinne werden gezielt in Niedrigsteuerländer verschoben. Ein „Plattform-Soli“ von 10 % auf lokal erwirtschaftete Umsätze wäre ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.
Dass Weimer diese Debatte anstößt, überrascht nicht. Er kennt die Verlagswelt, die seit Jahren durch die Digitalisierung unter Druck steht. Gedruckte Medien verlieren Leser wie Werbeeinnahmen; digitale Angebote kämpfen mit begrenzter Sichtbarkeit, Reichweite und Refinanzierung. Tech-Konzerne kontrollieren nicht nur Werbemärkte, sondern zunehmend auch den Zugang zu Informationen im Netz.
In dieser Gemengelage mehren sich Forderungen, Einnahmen aus einer Digitalsteuer für die Förderung redaktioneller Medien zu verwenden – unter Verweis auf die Demokratiegefährdung durch den Medienwandel. Dieser Impuls ist verständlich. Doch wer die Zukunft des Journalismus sichern will, darf nicht nur auf Geld setzen. Die Ursachen der Krise liegen tiefer: in der digitalen Marktlogik und einem grundlegenden Wandel der Mediennutzung.
Strukturwandel gezielt gestalten – statt Medienhäuser konservieren
Gedruckte Zeitungen werden nicht durch öffentliche Mittel gerettet. Menschen informieren sich heute mobil, schnell und selektiv. Deshalb sollten Steuergelder nicht darauf abzielen, gestrige Mediengewohnheiten künstlich zu erhalten. Sie sollten dazu beitragen, zukunftsfähige Strukturen für Qualitätsjournalismus im digitalen Raum zu stärken: durch Innovationsförderung, durch verbindliche Regeln für Plattformtransparenz – und durch einen fairen Zugang zu Nutzungsdaten.
Sichtbarkeit als Engpass – Plattformregulierung als Aufgabe
Redaktionelle Inhalte sind auf Sichtbarkeit angewiesen – doch der Zugang zu Aufmerksamkeit wird zunehmend von Plattformen und Suchmaschinen reguliert. Mit dem Vormarsch KI-gestützter Antwortsysteme rücken originäre Inhalte weiter in den Hintergrund. Wer Reichweite über Google oder TikTok erzielen will, verliert redaktionelle Autonomie.
Die politische Aufgabe ist es, die Transparenz algorithmischer Inhalteverteilung verbindlich zu regeln: Welche Inhalte erhalten Sichtbarkeit? Welche Daten stehen redaktionellen Angeboten zur Verfügung? Wie wird Vielfalt gegenüber rein kommerziellen Kriterien abgesichert? Wer von einer Digitalsteuer profitiert, muss sich zugleich der Plattformlogik entziehen können.
Qualität definieren – Klicklogik nicht belohnen
Die Behauptung, redaktionelle Medien seien per se demokratierelevant, ist nicht haltbar. Manche große Marken setzen auf Zuspitzung und Emotionalisierung, um Reichweite zu erzielen. Reißerische Schlagzeilen wie „Kreuzfahrten – ein Paradies für Mörder“ (BILD) oder „Virus tötet mehr als Krebs“ (Focus Online) schaffen Klicks – aber keine informierte Öffentlichkeit.
Eine Förderung darf sich nicht an Markennamen orientieren, sondern an klaren Qualitätskriterien: unabhängige Redaktion, überprüfbare Faktenbasis, transparente Finanzierung und ethische Standards. Öffentliches Geld braucht öffentliche Rechenschaft.
Fazit: Journalismus sichern – durch Qualität, Transparenz, Infrastruktur
Die Einführung einer Digitalsteuer ist richtig. Doch ihre Verwendung entscheidet über ihre Wirkung: Sie darf nicht zur pauschalen Rettung veralteter Modelle werden, sondern muss in den Aufbau einer nachhaltigen, vielfältigen digitalen Öffentlichkeit fließen.
Journalismus ist Teil der demokratischen Infrastruktur – ebenso wichtig wie Bildung oder unabhängige Gerichte. Diese Infrastruktur braucht Innovation, Zugang, Sichtbarkeit und Integrität. Die Aufgabe der Politik ist nicht, Medienhäuser zu retten – sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen Journalismus als öffentliches Gut überleben kann.