Meine Jahre mit Brigitte
Neulich schrieb mir ein Ex-Kollege aus Berlin, meine alte Liebe Brigitte sei nun in Essen untergekommen, im Haus der Funkes. Die Leidenszeit im Lager RTL unter vorwiegend ungesitteten Gassenhauern habe ein schnelles Ende gefunden. Da wird sie erleichtert sein, meine Brigitte. Ich kann mir gut vorstellen, wie sie, die weltgewandte Dame, täglich die Augen verdrehen musste angesichts der Prolo-Formate um ledige Bauern oder verdschungelte C-Promis.
Zweifellos die Nummer 1
Wir lernten uns im April 1991 in Hamburg am Baumwall kennen. Sie war damals souveräne 37 und offenbar gewohnt, dass ihr junge Akademiker in Ausbildung (a.k.a. Trainée) um den Hals fielen. Wir trafen uns bald täglich im Büro der Grandes Dames des Gruner+Jahr Vertriebs, Frau Pallesky und Frau Schröder. Beide gerierten sich selbst wie zwei reife Brigitten aus dem Bilderbuch. Alle 14 Tage durfte ich unter ihrer Anleitung die Erfolgsaussichten der neuen Brigitte prognostizieren. Wir untersuchten fast jede ihrer Seiten. Diäten zu Jahresbeginn, Marmeladenrezepte oder neue Modetrends verkauften sich gut. Manchmal meinte ich, Brigitte schon wirklich gut zu kennen. Im nächsten Moment machte sie einen ihrer Ausreißer und ließ uns alle verwundert im Büro sitzen – vor unseren Zahlen. Das war ja nicht ihr Problem.
Sie scherte sich weder um uns noch um mögliche Konkurrentinnen. Die anderen 14täglichen Frauenzeitschriften waren nicht ihr Kaliber. Keine Frage, die Freundin machte an manchen Tagen bella figura. Aber es war stets spürbar, dass ihr Horizont deutlich begrenzter war. Für Sie bewegt sich in einer Welt zwischen Abnehmtipps und Hackbratenrezept. Und der Titel Journal für die Frau hatte eine sozialistische Ausstrahlung – klassenlos, aber unambitioniert.
Brigitte war schon eine Marke…
Bei allen Kapriolen und Eskapaden zeigte sie stets Haltung und Charakter. Wo Brigitte draufstand, war Brigitte drin. Das schätzten natürlich auch die Anzeigenkunden. Sie versuchten ständig, Brigitte ihren Nagellack, ihr Brausepulver oder ihr Cocktailkleid anzugedeihen. Am Ende waren sie froh, wenn wir sie im passenden Umfeld auf den hinteren Plätzen platzierten. Kurzum: Sie rannten uns die Tür ein. Später um die Jahrtausendwende, als mich Brigitte zu ihrem Anzeigenchef erkoren hatte, lieferten sich Konzerne wie Beiersdorf und L´Oréal Kopf-an-Kopf-Rennen darüber, wer mehr Anzeigen im Heft drucken durfte. Enge Ergebnisse wie 61-59 waren keine Seltenheit. In einer Ausgabe. Im 2-Jahres-Rhythmus schossen wir Elaborate zur Brigitte- Kommunikationsanalyse in die Märkte: Gleichermaßen umfangreiche wie uninteressante Marktforschungsergebnisse als Dankeschön und Bestätigung für unsere Kunden. Aber seien wir ehrlich: Vermarktet hat sich Brigitte weitestgehend aus eigener Kraft.
Auch der stärkste Baum fällt…
…wenn der Sturm nur stark genug ist. Die Vorboten des Sturms auf bunte Blätter waren schon Mitte der 2000er zu hören – hätte man nur die Ohren spitzen wollen. Zu der Zeit hatte ich Brigitte hinter mir gelassen, aber niemals aus den Augen verloren. Als der Sturm im Laufe der Zeit immer heftiger wurde, verloren manche Kapitäne die Kontrolle. Vor allem die, die ein Leben auf dem Sonnendeck gewohnt waren. In ihrer Ratlosigkeit machten sie Dinge, die man mit einer Brigitte einfach nicht machen darf: Sie dünnten sie aus, vernachlässigten sie, sparten hier, zwackten dort und mergelten die einst Stolze richtiggehend aus.
Ein nachträgliches Hätte-Wenn-und-Aber hilft Brigitte heute nicht mehr weiter. Ich wünsche mir einfach nur, dass sie im Hause Funke noch ein paar Liebhaber findet wie mich, die sie in ihren letzten Jahren hoch leben lassen und ihr die Anerkennung vermitteln, die sie sich immer verdient hat. Ein ganzes bewegtes Zeitschriftenleben lang.
Falls du das liest, Brigitte: Die Jahre mit dir gehörten zu den besten in meinem Leben. Danke dafür!