E-Auto: Erfahrungsbericht eines Vielfahrers
Seit Februar 2023 fahre ich ein E-Auto, genauer gesagt einen VW ID-4. Immer öfter fragen mich Freunde und Bekannte, wie meine Erfahrung damit sei. Meine Antwort: Bei einer Google Bewertung würde ich 5 Sterne vergeben und ich würde nicht mehr umsatteln auf einen Verbrenner.
Game, Set and Match: E-Auto
Das liegt vor allem am sehr entspannten Fahrerlebnis und ein paar handfesten Vorteilen des E-Autos: Beschleunigung wie eine Rakete, Wendekreis wie eine Katze, geräumig wie ein Wohnzimmer, ruhig wie eine Sänfte. Dazu kommt: Nahezu keine Wartungskosten und geringere KfZ-Kosten als beim Vorgänger (zugrunde lege ich meine KfZ Kosten aus meiner monatlichen betriebswirtschaftlichen Abrechnung der letzten 12 Monate).
Skeptikerin bleibt meine 92-jährige Mama, die immer wieder besorgt nachfragt: „Kommst du schon wieder heim mit deinem E-Auto?“ Sie weiß, dass ich mindestens 200 km fahre, wenn ich die Garage verlasse. Sie hat aus der Zeitung offenbar die Reichweiten-Diskussion aufgeschnappt.
Laden ist leichter als Tanken
Grundsätzlich lade ich mein Auto immer über Nacht an der Wallbox in unserer Tiefgarage in München oder per Steckdose am Haus meiner Schwiegermutter. Voll geladen beträgt die Reichweite im Sommer gut 400 km, im Winter knappe 350 km. Konkret:
- Wir können ohne Zwischenladen von München zum südlichen Gardasee fahren – weil es ab dem Brenner fast nur bergab geht und das Auto wieder Energie gewinnt. Wir machen trotzdem Pause am Brenner – für Cappuccino und Einkauf.
- Ich fahre rund 50.000 km pro Jahr und finde überall Lademöglichkeiten, auch auf dem Land. Auswärts lade ich während meiner Termine. Eher selten – ca. 5 Mal p.a. – muss ich Schnellladestellen entlang der Autobahn anfahren. Dann dauert es rund 20 Minuten, bis 80% geladen sind. Diese 20 Minuten nutze ich für Arbeit oder ein Nickerchen;)
- Würde ich nur in der Stadt fahren, müsste nach meiner Hochrechnung einmal Tanken pro Halbjahr reichen. Im Stadtverkehr gewinnt die Batterie eher Energie, als dass sie welche verliert. Trotzdem nutze ich in München lieber mein Fahrrad oder die Öffentlichen.
- Das Ladesäulenregister der Bundesnetzagentur zählt heute rund 115.000 Normalladepunkte und gut 30.000 Schnellladepunkte. Und täglich werden es mehr.
- Im Vergleich: Es gibt rund 14.000 Tankstellen. Tendenz sinkend. Keine davon könnte ich mir in unserer Tiefgarage vorstellen.
Wer gelernt hat zu tanken, wenn Gelegenheit ist und nicht wenn die Batterie leer ist, wird erkennen: Laden ist leichter als Tanken. Trotzdem scheint es Menschen zu geben, die Angst vor dem Ladevorgang haben. Der läuft so ab:
- An der „eigenen“ Wallbox und Steckdose steckt man einfach die zwei Stecker des Ladekabels – einen ins Auto, eine in die Box/Dose.
- An „fremden“ Ladesäulen nutzt man eine Ladekarte (oder App) und steckt dann. Die Ladekarte erhält man vom Händler zugeschickt.
Sollte also machbar sein…
Protest und Unsicherheit
Meiner Erfahrung nach kann man sich das Aufzählen von Fakten sparen bei Leuten, die E-Autos kategorisch ablehnen. Sie sind oft aus Prinzip gegen alles, was „grün“ sein könnte. Oder sie sind erzkonservativ im wahrsten Sinne des Wortes, wollen keinerlei Veränderung oder wollen sich nicht lösen von der Zeit der Fuchsschwänze, Spoiler und röhrenden Auspuffe. Sie bevorzugen weiterhin Verbrenner, obwohl sie:
- eine PV-Anlage auf dem Dach habe und lebenslang kostenlos laden könnten
- 363 von 365 Tagen eine Reichweite von unter 30 km pro Tag haben.
- Selbst auf der Autobahn maximal 130-150 km/h fahren (wie übrigens die allermeisten dies mittlerweile freiwillig tun, auch ohne Tempolimit)
- Autokauf bei ihnen nicht am notwendigen Kleingeld scheitern würde.
Ein anderer Teil der Autofahrer muss mehr aufs Geld schauen und kann sich so eine Prinzipienreiterei nicht leisten. Die warten verunsichert ab, wie es weiter geht: mit oder ohne Förderung, mit günstigeren E-Autos, mit der Lade-Infrastruktur…. Als Folge dieses Abwartens werden die Autos auf deutschen Straßen immer älter. Anfang 2024 lag der Altersdurchschnitt bei 10,3 Jahre – so hoch wie noch nie.
Verantwortung für diese Verunsicherung sehe ich vor allem im Wankelmut und Zaudern der mittlerweile gescheiterten Ampel Regierung. Ich verstehe ein Stück weit, wenn sich manche Bürger aus Protest weigern gegen E-Auto, Wärmepumpe oder vergleichbare Vorschriften und Verbote.
Mit etwas mehr Nachdenken und Vernunft und etwas weniger Politik, Protest und Ideologie kämen viele sicher zu einem anderen Ergebnis. Es ist nie zu spät für ein Umdenken.